Der stellvertretende Landessprecher der AfD NRW, Martin Schiller, ist aus der Partei ausgetreten. Das vermeldete der Münsteraner gestern auf seiner Facebook-Seite. Als Grund für den Austritt nannte Schiller den Niedergang der „Ein-Themen-Partei“ im Westen, die dann nur noch gegen die 5-Prozent-Hürde kämpfen werde. Auch kritisierte er den AfD-Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen (69) scharf, der am Samstag vor einer Woche bei der Nominierung zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gerade einmal etwas mehr als 50 Prozent der Delegiertenstimmen auf sich vereinigen konnte.
Schiller, der auch Kreissprecher und Ratsherr der AfD ist Münster war, galt auch innerparteilich als umstritten und sah sich scharfer Kritik aus seinem eigenen Kreisverband ausgesetzt. So hatten seine Kritiker vor wenigen Tagen die Einberufung eines außerordentlichen Kreisparteitags in Münster gefordert.
Das Austrittsschreiben Schillers veröffentlichen wir nachfolgend in Gänze:
„Liebe Parteifreunde und treue Mitstreiter der vergangenen acht Jahre,
hiermit erkläre ich meinen Rücktritt als Kreissprecher der AfD Münster. Ebenfalls lege ich mein Amt als stellv. Landessprecher der AfD NRW nieder. Außerdem erkläre ich meinen sofortigen Austritt aus der AfD.
Begründung:
Die Aufstellungsversammlung in Siegen hat gezeigt, dass es für mich in der AfD keine Perspektive und keine gestalterische Zukunft mehr gibt.
Während der Versammlung in Siegen, wie auch schon auf dem Bundesparteitag zuvor in Dresden wurde deutlich, dass die Mehrzahl der Delegierten fast nur noch mit völkischen Themen, Zuwanderungskritik und überzogenen Maximalforderungen abzuholen ist. Themen wie Steuern, Mittelstand oder die Suche nach Antworten auf die gesellschaftlichen Folgeschäden durch die Coronamaßnahmen fanden leider keine Mehrheiten. Somit kann die AfD diese Themen im kommenden Wahlkampf auch nicht mehr glaubwürdig bespielen.
Es ist zu erwarten, dass die AfD zu einer “Ein-Themen-Partei” verkümmert und langfristig – zumindest im Westen- nur noch einen Kampf kämpfen wird: Den gegen die 5% Hürde.
Hinzu kommt, dass der in weiten Teilen der Partei unbeliebte und im Führungsstil herrische Landessprecher der AfD NRW bei seiner Spitzenkandidatur mit 53% nur sehr knapp seinem politischen Ende entkommen konnte. Somit ist zu erwarten, dass unter diesem schwer verkäuflichen und umstrittenen Spitzenkandidaten die Hälfte der Basis kaum Motivation für den Wahlkampf haben wird.
Die tiefen Gräben innerhalb der Partei haben sich vertieft und die hoffnungslose Zerstrittenheit hat sich zudem verstärkt. Die Situation am 22.05.2021 hat dies in aller Deutlichkeit gezeigt: Einen ganzen Tag lang schaffte man es nicht, Platz 14 der Landesliste zu besetzen.
Die Gründe sind unschwer zu erkennen, denn durch die Zerschlagung und anschließende Bekämpfung des einst wirkungsstarken bürgerlichen Lagers durch den AfD NRW Landessprecher, ist es zu einer weiteren Zerfleischung des Landesverbandes gekommen. Sein opportunistischer Neo-Flügel, mit starker Unterstützung eines aus Eigeninteressen gespeisten Kölner Klüngels, steht nun dem klassischen und basisorientierten Flügel entgegen. Das bürgerliche Lager spielt jetzt nur noch eine untergeordnete Rolle.
In diesem Spannungsfeld sehe ich für die AfD NRW und auch für mich keine politische Zukunft mehr.
In den über 8 Jahren Mitgliedschaft habe ich in der AfD viele wunderbare Männer und Frauen kennen gelernt, die sich selbstlos und aufopferungsvoll für die AfD eingesetzt haben. Dies unter Inkaufnahme sozialer Ausgrenzungen und beruflicher Benachteiligungen.
Auftragsverluste bei Selbstständigen und linksradikale Anschläge haben von manchen Mitgliedern und ehrenamtlichen Funktionären vieles abverlangt. Auch ich hatte mehrfach darunter zu leiden, wie viele von euch wissen.
Nach wie vor befinden sich in der AfD wunderbare Menschen, so dass es mir schwer fällt zu gehen. Leider haben aber die Opportunisten, die politischen Hütchenspieler, die Intriganten, die Extremisten und die Radikalen nach und nach wichtige Mehrheiten ( gerade unter den Delegierten) erlangen können. Diesem Teil der Partei ist die zu erwartende Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu verdanken. Was dazu führen wird, dass die AfD und ihre Mitglieder in der breiten, gesellschaftlichen Wahrnehmung als “Verfassungsfeinde” wahrgenommen werden. Mit einem weiteren Aderlass, von aus der Mitte der Gesellschaft stammenden Mitglieder, ist zu rechnen. Eine weitere Verpöbelung, eine weitere Radikalisierung der Partei wird stattfinden. Der Versuch eine bürgerliche und konservative Kraft, als Gegenangebot für eine immer weiter nach links/rot/grün driftende CDU zu etablieren, ist leider gescheitert.
Ich danke denjenigen, die mich loyal unterstützt haben und auch in schweren Zeiten an meiner Seite standen. Ihnen allen wünsche ich weiter viel Erfolg im Kampf für ein besseres Deutschland. Für mich ist dieser Kampf als Politiker ausgekämpft.
Meine Kraft werde ich fortan wieder stärker meiner Familie und meinem Unternehmen widmen. Es gibt – und manche von uns vergessen das zu oft- auch noch ein Leben jenseits der Partei.
Darauf freue ich mich.
Alles Gute!
Martin Schiller“
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