CDU wird grüner und so zur “Spinat-Partei” – Grabensystem als Wahlreform? CDU-Parlamentarier verlieren Mandate

Bisher war es die bayerische CSU, die einer Verkleinerung des Deutschen Bundestages und damit einer Wahlrechtsreform im Wege stand. Der Grund: Die CSU gewann traditionell nahezu alle 46 Wahlkreise in Bayern. Die neuen Mehrheitsverhältnisse nach der Bundestagswahl 2021 ermöglichen nun eine Wahlrechtsreform jenseits der CSU, die ihren Platz in der Opposition gefunden hat, zumindest theoretisch. Praktisch stimmt sie bei allen wesentlichen Entscheidungen im Bundestag mit der Regierung.

CDU und CSU fühlen sich offenbar mit ihrem Stimmverhalten so, als säßen sie noch in der Bundesregierung, allerdings ohne Regierungsämter (Minister und parlamentarische Staatssekretäre). Oppositionsarbeit sieht anders aus.

Das neue CDU-Grundsatzprogramm wird grün. Die CDU forciert in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen politische Regierungsbündnisse mit den Grünen. Darin ist eine klare Machtpolitik erkennbar. Für die Bürger in Deutschland bleibt indes weiterhin unklar, was halt diese die CDU wählen sollen. Schlicht zu glauben, nur weil die Menschen nicht die SPD wählen können, werden sie schon für die CDU votieren, reicht nicht aus.

Die Wähler werden erkennen, dass die CDU grüner werden will als es die Grünen selbst sind. Unter dem Strich werden die Menschen in Deutschland sodann das Original wählen und das sind Bündnis90/Die Grünen.

Das CDU-Grundsatzprogramm wird im grünen Sinne ein “Spinatprogramm” und die CDU mutiert sodann zur “Spinat-Partei“.

Die Loyalität der Ampelregierung (SPD, Grünen, FDP) gegenüber der CDU/CSU wird sich in der Wahlrechtsreform zeigen. Dort werden sie die Christdemokraten mit grünem Anstrich links liegenlassen. Die Ampelfraktionen werden ihre machtpolitischen Interessen durchsetzen und das bedeutet, dass im Rahmen der Wahlrechtsreform das Augenmerk auf die kleinen Parteien (Grüne, FDP) gelegt wird. Wobei klar ist, dass die Grünen zukünftig die SPD stimmenmäßig überholen werden. Somit können die Grünen weiterhin nicht als “kleine Partei” bezeichnet werden.

Die Wahlrechtskommission hat sich am Donnerstagabend eingehend mit Vorschlägen zur Verkleinerung des Bundestages auseinandergesetzt. In der vorigen Sitzung hatten die Obleute der Koalitionsfraktionen ihr „Ampelmodell“ eingebracht, zu dem sich weitere Vorschläge wie das sogenannte Grabenwahlsystem der Sachverständigen Bernd Grzeszick und Stefanie Schmahl und ein Modell der Sachverständigen Silke Ruth Laskowski und Elke Ferner gesellten.

Beim Grabenwahlsystem wird wie derzeit die Hälfte der Mandate von in den Wahlkreisen direkt gewählten Abgeordneten besetzt, jedoch unabhängig von den Zweitstimmenergebnissen. Die zweite Hälfte der Mandate wird entsprechend dem Zweitstimmenergebnis an Listenkandidaten vergeben. Grzeszick räumte ein, dass kleinere Parteien dabei schlechter wegkommen würden, weshalb ein asymmetrisches Modell denkbar wäre, das die Zweitstimmen begünstigt. Auch sollten Wahlkreissieger mit beispielsweise weniger als 20 Prozent der Erststimmen in eine Stichwahl gehen müssen.

Grzeszick und Schmahl begründeten ihren Vorstoß mit Unzulänglichkeiten, die das Ampelmodell aus ihrer Sicht aufweist. Das Ampelmodell begrenzt die Größe des Bundestages strikt auf 597 Sitze, belässt es bei 299 Wahlkreisen und verzichtet auf Überhang- und Ausgleichsmandate, von denen es im derzeitigen Bundestag 138 gibt. Erreicht wird dies dadurch, dass die Wahlkreissieger, deren Erststimmenergebnis nicht durch entsprechende Zweitstimmen ihrer Partei abgedeckt ist, kein Mandat erhalten und die Wählenden stattdessen einem weiteren Kandidaten ihre „Ersatzstimme“ geben können. Das Wahlkreismandat soll der- oder diejenige erhalten, auf den oder die dann insgesamt die meisten Stimmen im Wahlkreis entfallen, ohne dass ein „Überhangfall“ entsteht. Grzeszick sieht darin einen Verstoß gegen die Gleichwertigkeit der Stimmen. Für Schmahl wäre die Direktwahl damit nur noch ein „Feigenblatt“. Sie sieht im Grabenwahlsystem eine „valide und verfassungskonforme Alternative“, um eine Verkleinerung des Bundestages zu erreichen.

Laskowski und Ferner schlugen ein regionalisiertes und personalisiertes Verhältniswahlrecht vor. Die Wahlrechtsgleichheit erfordere die Chancengleichheit von Wahlbewerberinnen, weshalb paritätische Vorgaben erforderlich seien, um den anhaltenden verfassungswidrigen Zustand beim passiven Wahlrecht von Frauen zu beseitigen, sagte Silke Ruth Laskowski. Elke Ferner ergänzte, alle 598 Mandate sollten über regionale Wahlkreislisten zugeteilt werden. Die Parteien müssten über ihre Listen die regionale Verteilung sicherstellen und es könnten mehr Elemente einer Personalwahl eingeführt werden.

SPD-Obmann Sebastian Hartmann rechnete vor, wie sich die Anwendung des Grabenwahlsystems bei der letzten Bundestagswahl ausgewirkt hätte. Die SPD hätte 205 Sitze, die CDU 160 Sitze und die CSU 62 Sitze erhalten: „Wenn das keine Verzerrung des Wahlergebnisses ist.“ Das Wahlergebnis würde dem Wählerwillen widersprechen, so Hartmann. Auch für Stephan Thomae (FDP) wäre dies eine „starke Systemänderung“. „Was bedeutet das für die Akzeptanz? Riskieren wir eine veritable Verfassungskrise?“, fragte er und plädierte dafür, im akzeptierten System des Verhältniswahlrechts zu bleiben. Im Ampelmodell sei jeder Wahlkreis vertreten.

Die Modelle warfen die Frage nach der Unterschiedlichkeit von Direkt- und Listenmandaten auf. Alexander Hoffmann (CDU/CSU) sprach sich gegen eine Vergrößerung von Wahlkreisen aus, die zu einer Entkopplung von Wählern und Abgeordneten führen würde. Aus seiner Sicht nimmt die Bildung der Menschen an Parteien ab, deshalb klafften Erst- und Zweitstimmen stärker auseinander. Für die Wähler sei die Erststimme die entscheidende Stimme. Hoffmann warb dafür, das Wahlrecht am Interesse des Wählers auszurichten. Listenabgeordnete hätten häufig ihren ersten Wohnsitz nicht in ihrem Wahlkreis, so Hoffmann, der zugleich klarstellte, nicht von Abgeordneten erster und zweiter Klasse zu sprechen.

FDP-Obmann Konstantin Kuhle sah Unterschiede eher zwischen Abgeordneten mit städtischen und ländlichen Wahlkreisen als zwischen Direkt- und Listengewählten. Leni Breymaier (SPD) sagte, direkt gewählte Abgeordnete hätten nach ihrer Wahrnehmung „ein halbes Sternchen mehr auf der Schulter“. Sie träfen „eher die Bürgermeister als die Bürger“. Für Breymaier ist klar: „Du brauchst immer deine Partei, allein bist du nichts.“ Sebastian Hartmann wies darauf hin, dass bei einer Begrenzung auf 598 Mandate die Bedeutung des einzelnen Wahlkreises und der direkt gewählten Abgeordneten wieder zunehmen würde.

Ein Grabenwahlsystem könne er sich nicht vorstellen, das könne nicht funktionieren, sagte AfD-Obmann Albrecht Glaser. Unions-Obmann Ansgar Heveling nannte das Grabenwahlsystem hingegen ein „mutiges Wagnis“, bei dem sich nicht vorausberechnen lasse, was passiert. Grünen-Obmann Dr. Till Steffen erinnerte an die Vorzüge des Ampelmodells, das möglichst wenig ändern und die Größe des Bundestages effektiv begrenzen würde, wobei sich die Wahlchancen der Parteien nicht veränderten. Linken-Obfrau Petra Pau bekräftigte, ihre Partei wolle die Verkleinerung des Bundestages und die Vertretung des politischen Meinungsspektrums im Parlament. Die Erhöhung des Frauenanteils bis hin zur Parität sollte dabei nicht aus den Augen verloren werden. Nicht vergessen werden sollte zudem, am der Klarheit und Nachvollziehbarkeit des Wahlrechts zu arbeiten.

Der Bundestag hat die aus 13 Abgeordneten und 13 Sachverständigen bestehende Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit am 16. März 2022 eingesetzt. Sie soll in der parlamentarischen Sommerpause einen Zwischenbericht vorlegen. Die Verkleinerung des Bundestages wird das Gremium auch in seiner nächsten Sitzung am 23. Juni beschäftigen.

Wie auch immer eine Wahlrechtsreform an Ende aussehen wird, eines steht schon jetzt fest, die “Spinatpartei CDU” wird am Ende das Nachsehen haben. Egal, wie sehr sich CDU und CSU im Bundestag abmühen, indem sie der Bundesregierung unter Führung von Olaf Scholz (SPD) mit ihren Stimmen zu Zweidrittelmehrheiten verhelfen.

Im Ergebnis können sich die aktuellen Parlamentarier von der CDU und CSU schon jetzt darauf einstellen, dass einige von ihnen dem nächsten, dem 21. Deutschen Bundestag, nicht weiter angehören werden.


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