Nur wenige Tage, nachdem die Fraktionen von SPD und CDU das vierte Infektionsschutzgesetz beschlossen haben und es vom Bundesrat abgenickt worden ist, wird erneut an der sogenannten Notbremse herumgeschraubt. Der neuste Akt ist, Geimpften und Genesenen ihre Grundrechte in Teilen zurückzugeben. Der Satz allein sorgt bereits für ein mulmiges Gefühl, denn damit entsteht sie offiziell: Die Klassengesellschaft nach Impfstatus.
Blättern wir zunächst einmal ein wenig zurück. Es ist noch nicht lange her, da konnten Politiker gar nicht deutlich genug bekräftigen, dass es keine Impfpflicht geben soll. Man ging sogar so weit, derartige Annahmen als „Verschwörungstheorien“ zu bezeichnen. Ähnlich wie die Mär von den angeblich immer nur kurzfristigen, vorübergehenden Lockdowns scheint sich nun jedoch auch diese Versprechung aufzulösen. Die Impfpflicht wird kurzerhand durch die Hintertür installiert. Wer geimpft und genesen ist, bekommt erst einmal ein wenig mehr seiner grundgesetzlich verbrieften Grundrechte zurück. Allen anderen Menschen bleibt – da können sie sich noch so gesund fühlen und noch so viele Aldi-Schnelltests machen – diese Rückkehr zur Freiheit verschlossen.
Man sollte inzwischen auch nicht mehr davon ausgehen, dass bei einer „Herdenimmunität“ (also einer Immunisierungsquote von 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung) Freiheiten gesamtgesellschaftlich wiederhergestellt würden. Es passt nicht zur Vorstellung einer Politik, die möglichst jedes Covid-Restrisiko ausschalten will. Dabei werden allzu bereitwillig die Kollateralschäden übersehen oder verharmlost. Von vermehrten Schlaganfällen über Herzversagen über schwere Folgen für die Psyche bis hin zur steigenden Zahl von Suiziden. Von ausbleibenden Vorsorgeterminen hin zu versäumten Früherkennungen von Krankheiten wie Krebs, bis weiter zu dem früheren Versterben und dem Verlust vieler Lebensjahre. Das Gesellschaftsexperiment Lockdown hat seinen Preis, nicht nur ökonomisch, sondern auch im Bereich der Gesundheit. Dass dieser Preis sich nicht in einer Kennzahl wie der Inzidenz zeigt, lässt zu viele daran vorbeisehen. Corona-Todeszahlen werden indes täglich massenmedial heruntergebetet. Eine Zweiklassengesellschaft des Leidens entsteht.
Douglas Allen, ein kanadischer Ökonom hat 80 Studien zum Nutzen von Lockdowns ausgewertet. Die Meta-Studie namens „Lockdown-Report“ kommt zum Ergebnis, dass die Kosten-Nutzen-Abwägung bei Lockdowns nicht stimme. Lockdown-Folgen würden unterschätzt, während andererseits die Effektivität der Lockdowns überschätzt werde. Ob Allen damit richtig liegt, müsste man dringend kritischer diskutieren. Dazu müsste man aber weg von dogmatischen Durchhalteparolen. Seit mehreren Wochen liegen bei der Niedersächsischen Landesregierung einige schriftliche Anfragen von mir, die sich mit den Kollateralschäden der Lockdowns befassen. Bisweilen unbeantwortet. Es würde mich nicht wundern, wenn sich einmal mehr zeigt, dass die Landesregierung keinerlei sachgerechten Überblick über die Kollateralschäden des Lockdowns hat – dass ihn die Bundesregierung hat, muss man ebenfalls bezweifeln.
So liegen aktuell viele Hoffnungen auf den Klagen, die vor das Bundesverfassungsgericht getragen wurden. Hier möchte ich jedoch gleich die Erwartungen bremsen: Wer sich anschaut, wie das BVerfG in Sachen Klimapolitik und Grundrechten argumentierte, der muss leider auch befürchten, dass die Korona-Klagen unter dem Gesichtspunkt „politische Opportunität“ abgewiesen werden.
Die Corona-Politik droht derweil zu einem fatalen Vorbild zu werden. Wenn sich Millionen Bürger unkritisch und teils bar jeder Logik ihre Freiheiten entziehen lassen, dann vermittelt es den Regierenden, dass das Volk gar keinen so großen Wert mehr auf seine Freiheit legt. Freiheitsentzug wird damit auch für andere Krisen attraktiver. In Sachen Klima-Urteil des Verfassungsgerichts und der politischen Kommentare, dass dies natürlich nicht geplant sei, könnte man im Berliner Dialekt sagen: „Nachtigall, ick hör dir trapsen“.
Ein Gastbeitrag von Dana Guth. Sie ist Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags für die LKR.
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