Wer hätte das gedacht: Das Corona-Virus hat in den USA mehr Todesopfer gefordert, als der amerikanische Bürgerkrieg. Über 600.000!
Mit dieser Erkenntnis beglückte USA-Korrespondent Tobis Reckmann am 15. Juli 2021 in einem Beitrag für “MDR Aktuell” (ab Zeitmarke 10:04) die Zuseher.
“Man darf auch nicht vergessen, in den USA sind 600.000 Menschen an Corona gestorben. Das sind mehr, als im amerikanischen Bürgerkrieg. Für die USA ist Corona das tödlichste Ereignis ihrer Geschichte, wenn man so will.”
Ein Ereignis, das mehr Tote als der der Bruderkrieg zwischen 1861 und 1865 kostet, der nach wie vor die am meisten amerikanische Opfer fordernde militärische Auseinandersetzung in der Gesichte der Vereinigten Staaten von Amerika ist, muss schon außergwöhnlich gefährlich sein.
Tatsächlich liefert z. B. Google für den 15. Juli 2021 über 607.504 US-amerikanische Corona-Opfer auf:

Die Anzahl der Opfer des Sezessionskrieges wird, je nach Quelle, zwischen 600.000 und 750.000 angeben. Somit ist die vom MDR ausgestrahlte Aussage nicht falsch.
Dennoch gehört sie in die Kategorie “Schöner lügen mit Fakten”. Dummerweise hat man beim MDR zwei absolute Zahlen verglichen, aber den Vergleichszeitraum außer acht gelassen. Der amerikanische Bürgerkrieg dauerte vier Jahre, die Corona-Pandemie bisher weniger als 18 Monate.
Zunächst muss man also feststellen, dass Corona pro Monat ca. 33.300 Tote forderte, der 48 Monate währende Bürgerkrieg dagegen durchschnittlich 14.500 pro Monat – weit weniger als die Hälfte.
Richtig interessant wird es, wenn man die absoluten Opferzahlen auch ins Verhältnis zur jeweiligen US-Einwohnerzahl setzt. Die liegt aktuell bei fast 334 Millionen, bei den Volkszählungen von 1860 bei 31,4 Millionen und 1870 bei 38,5 Millionen. Nimmt man für 1865 einen gemittelten Wert von 35 Millionen Einwohnern an, dann verloren darauf bezogen im US-Bürgerkrieg 1,7 % der Bevölkerung ihr Leben. Auf die aktuelle Einwohnerzahl bezogen wären dies fast 5,7 Millionen Coronatote, die man beklagen müsste, um tatsächlich die Opferzahlen des Bürgerkriegs als Vergleich heranziehen zu können. Entsprechend beträgt die Opferrate im Sezessionskrieg 1.714, in der Coronapandemie dagegen bisher “nur” 179 Tote auf jeweils 100.000 Einwohner. Ein mehr als deutlicher Unterschied, der klar macht, wie unsinnig so ein Vergleich ist.
Allerdings ist die Masche, die unbedarften Zuschauer oder Leser mit unsachlichen Vergleichen zu erschrecken, nicht neu. Seit Jahren agitiert man mittels ähnlich gestrickter Apfel-und-Glühbirnen-Gleichsetzungen, die im pseudowissenschaftlichen Gewand daherkommen, im Sinne der Gun-Control-Lobby gegen die angeblich ach so laxen amerikanischen Waffengesetze. So z. B. das “Katapult-Magazin“:

Man vergleicht zwei vollkommen unterschiedliche Zeiträume und zwei vollkommen unterschiedliche Personengruppen, deren einzige Gemeinsamkeit es ist, dass es um Menschen geht, die gestorben sind.
Es gibt keinerlei Bezugsgrößen und keine Einordnung bzw. keinen Vergleich zu entsprechenden Zahlen anderer Nationen. Auch bleibt die Bevölkerungsentwicklung der USA völlig außen vor.
Auch hier bedient man sich echter Zahlen, die man vollkommen willkürlich in Beziehung setzt um so Zusammenhänge zu suggerieren, die gar nicht existieren. Und wundert sich dann, wenn die solche alternative Fakten verbreitenden Medien entsprechend auch als “Lügenpresse” gescholten werden und deren Glaubwürdigkeit und Ansehen rapide sinkt.
Titelbild von Bruce Emmerling auf Pixabay
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