Die Umfragen für die SPD auf Bundesebene verharren auf dem niedrigen Niveau der letzten Bundestagswahl. Dabei beurteilen die Bundesbürger Bundeskanzler Olaf Scholz trotz aller Skandale, in die er persönlich verwickelt ist, noch weitgehend positiv. Dabei vermittelt er allerdings anders als Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder keinerlei Aufbruchsstimmung. Auch ist er nicht einmal Vorsitzender seiner Partei. Saskia Eskens, die amtierende Co-Vorsitzende, ist keine Sympathieträgerin. Von den übrigen SPD-Ministern ist keiner dabei, den man im positiven Sinne als politisches Schwergewicht nennen könnte oder auch irgendwie nur wollte. Im Gegenteil – Karl Lauterbach scheint als Gegenstand despektierlicher Witze sich eher zunehmend zu einer Belastung zu entwickeln.
Jedenfalls zeigen sich wahrhaftige Erosionserscheinungen im Bereich der Mitgliederzahlen der SPD. Dieser Tage musste die Partei bekannt geben, dass ihre Mitgliederzahl unter die 400.000 Marke gefallen ist. Im letzten Jahr gaben rund 22.000 Genossen ihr Parteibuch zurück. Der inzwischen ausgeschiedene Co-Vorsitzende Norbert Walter-Bojans hatte im Dezember auf seiner Rechenschaftsrede noch behauptet, „die SPD-Mitgliedschaft betrage 400.000 an der Zahl“. Die Zerfallserscheinungen haben zwar noch nicht das Ausmaß der CDU erreicht, aber auch hier scheint das Wort „Volkspartei“ kaum mehr zu rechtfertigen zu sein.
Ähnlich wie in Dänemark, den Niederlanden und Frankreich ist eine weitere Ausdifferenzierung des Parteienspektrums zu Lasten der ehemaligen beiden großen Volksparteien zu beobachten. Damit wachsen der AfD neue Aufgaben zu. Sie muss und soll politik- und regierungsfähig werden. Die Ausgrenzungen und Diffamierungen der Anderen gegen die AfD darf keine Ausrede oder Rechtfertigung für unangemessenes Auftreten oder etwa eine Binnenradikalisierung sein, auf die genau abgezielt wird. Die Zeit, in der die AfD sich auf dem Polster einer gesicherten Wählerbasis als Protestpartei ausruhen und sich vermeintliche Eskapaden Einzelner, die medial überbewertet auch immer die Gesamtpartei in Mithaftung nehmen, meint leisten zu können, sollte vorbei sein – nein, sie muss vorbei sein, wenn ihr die den Vertrauensverlust der Wähler bei Union und SPD positiv auffangen will.
Ein Gastbeitrag von Frank-Christian Hansel. Der Diplom-Politologe ist Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die AfD.