Mit dem Untergang bzw. der Auflösung der DDR begann in der Bundesrepublik die juristische „Aufarbeitung“ der Todesschüsse an der Mauer. In Berlin und Potsdam wurden 112 Verfahren gegen 246 Personen geführt. Neben den eigentlichen Tätern – in der Regel mehr oder weniger einfache Soldaten – wurden die politischen Machthaber und hohe Offiziere vor Gericht gestellt. Die „Mauerschützen“ erhielten meist Bewährungsstrafen. Die Verfahren gegen die politische Prominenz gestaltete sich hingegen schwierig und langwierig. Manche Verfahren wurden auch aus „gesundheitlichen Gründen“ der Angeklagten eingestellt. Problematisch erscheinen mir aus heutiger Sicht die Verfahren gegen die Schützen selbst. Bei den geistigen und politischen Tätern im Hintergrund hingegen war eine bemerkenswerte Milde der bundesdeutschen Justiz sichtbar. Dennoch beklagten sich die gewesenen Machthaber über die „Siegerjustiz“.
1994 urteilte der Bundesgerichtshof, dass die gezielte Tötung von unbewaffneten Flüchtlingen „wegen offensichtlichen, unerträglichen Verstoßes gegen elementare Gebote der Gerechtigkeit und völkerrechtlich geschützte Menschenrechte“ auch in der DDR ein Unrecht war. Darüber hinaus legitimierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Vorgehen der bundesdeutschen Justiz. Von den damaligen SED-Funktionären zeigte sich nur Günter Schabowski, ehemaliges Mitglied im Zentralkomitee der SED und dem SED-Politbüro, einsichtig. Schabowski wurde im August 1997 mit zwei Mitangeklagten vom Berliner Landgericht wegen mehrfachen Totschlags zu drei Jahren Haft verurteilt.
Die Linkspartei zeigt sich auch heute noch – 31 Jahre nach dem Fall der Mauer – sehr schwerfällig im Umgang mit diesem DDR-Unrecht. Zwar hat sich die Linken-Chefin Katja Kipping im vergangenen Jahr im Rahmen einer Aktuellen Stunde des Bundestags für das Unrecht in der DDR entschuldigt. Dieses wird von vielen Beobachtern der politischen Szene aber eher als taktisches Manöver gewertet. Denn vorausgegangen war dieser unter starker medialer Aufmerksamkeit vorgetragenen Geste eine Strategiekonferenz der Linkspartei in Kassel. Dort wurden unter anderem Beiträge diskutiert, in denen eine Relativierung für die Verantwortung des SED-Regimes an den DDR-Mauertoten sichtbar waren. Sätze wie „Die Schüsse an der Grenze waren die Antwort auf die Politik der BRD und ihrer Verbündeten, die DDR durch die Abwanderung vieler ihrer Bürger auf die Knie zu zwingen“ zeigen deutlich, wie die linke Basis über das Unrecht in der DDR tatsächlich denkt. Aber auch Barbara Borchhardt, immerhin linke Landesverfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern, relativierte ebenfalls im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung die DDR-Gewalt an der innerdeutschen Grenze.
Borchhardts Versuch, die deutsche Geschichte umzudeuten, misslang allerdings kläglich.