Fruchtlos, nutzlos, sinnlos: MPU

Rund 90.000 Führerscheinbesitzer in Deutschland werden jährlich dazu aufgefordert, sich einer sogenannten medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen. Nach einer höchstrichterlichen Entscheidung handelt es sich dabei nicht um einen selbständigen anfechtbaren Verwaltungsakt. Er ist nicht justiziabel. Kay Nehm, von 1994 bis 2006 immerhin Generalbundesanwalt und nun Präsident des Verkehrsgerichtstages, stellte fest, die Untersuchung habe „keinen guten Ruf in der Bevölkerung“. Die Kraftverkehrsämter legen eine gewisse Kreativität für die Begründung von MUP – Anordnungen an den Tag. Nur 42% der Anordnungen gingen 2016 auf Alkoholmissbrauch zurück. Die Fernsehmoderatorin Kim Fisher machte das öffentlich. Sie hatte 236 Mal falsch geparkt und musste daher zur MPU. 2015 erklärte Verkehrsminister Dobrindt, er wolle noch „schärfere“ Regeln durchsetzen.

Deutschland befindet sich im europäischen Vergleich auf einem Sonderweg. Zwar gibt es auch in Österreich derartige Überprüfungsgutachten – nur unter ganz anderen, weniger extremen Bedingungen. Das hat nichts mit einer Nachlässigkeit gegenüber alkoholisierten Autofahrern zu tun. In Dänemark wird das Auto unter Umständen nach einer Trunkenheitsfahrt zu Gunsten der Staatskasse eingezogen.

Erst nach 15 Jahren werden in Deutschland die Verwaltungsakten vernichtet. Über die Durchfallquote bei MPU-Prüfungen wird unterschiedlich berichtet. Die öffentlich-rechtlichen Sender und Mainstream-Blätter publizieren meist eine Quote von 50%. Das Handelsblatt schrieb „unvorsichtigerweise“ vor Jahren etwas von 70%. Rechtsanwalt O. aus Stettin schätzt, dass beim erstmaligen Versuch 90 bis 95% der Prüflinge ohne Erfolg bleiben. Die deutsche Praxis ermöglicht der MPU-Industrie Einnahmen, die von Insidern auf einen zehnstelligen Betrag geschätzt werden. Die Gebühr für eine MPU beträgt um die 500 Euro. Manche MPU-Kandidaten besuchen Vorbereitungskurse, um Erfolg zu haben. Mitunter werden sogar mehrere tausend Euro in Vorbereitungskurse „investiert“. Rechnet man vorsichtig 1.000 Euro an Kosten für jede MPU Anordnung, kommt man auf einen Milliardenbetrag, der einer sogenannten MPU-Industrie zu Gute kommt.

Der Erwerb eines Führerscheins im Ausland ist inzwischen eine immer beliebter werdende Alternative. Rechtsanwalt O. aus Stettin schätzt, dass allein in Polen 5.000 Deutsche jährlich eine Führerscheinprüfung absolvieren. Die Mainstream-Medien erwecken mit ihrer Berichterstattung den Eindruck, dass dies illegal sei oder aber so teuer, dass es doch besser sei, im Inland sein Glück mit einer MPU zu versuchen. Tatsächlich hat der EuGH die Bundesrepublik Deutschland mehrfach (letztmalig AZ: C‑419/10 v. 26. April 2012) dazu verurteilt, ausländischen Führerscheinen hierzulande anzuerkennen. Versuche bundesdeutscher Verkehrs- und Justizminister auf europäischer Ebene, ihre Sicht der Dinge durchzusetzen, fanden dort keinen Anklang.

Die deutschen Behörden suchen nun andere Wege, um zum „Erfolg“ zu kommen. Ausländische Staatsanwaltschaften sollen prüfen, ob die dort geltenden Voraussetzungen eingehalten wurden. Die wichtigste von ihnen ist, dass die Fahrprüfung im Ausland erst erfolgen kann, nachdem dort 185 Tage lang ein Wohnsitz bestanden hat. Es ist jedoch nicht erforderlich, den deutschen Wohnsitz parallel aufzugeben. Entsprechende „Hinweise“ deutscher Stellen, halten z.B. die polnischen Ämter für irrelevant. Allerdings muss die Begründung des neuen Wohnsitzes glaubhaft sein. Wer sich individuelle Hilfe holt, ist meist besser dran als MPU-Flüchtlinge, die der Werbung von Fahrschulen im Ausland mit einem „rundum sorglos Paket“ vertrauen. Wenn zwanzig MPU-Geschädigte deutsche Führerscheinaspiranten in ein und demselben Hotelzimmer wohnen, ist die Sache „geplatzt“.

Schlecht ist es auch, der „Europafahrschule“ Vollmacht für die Behördengänge zu erteilen. Die Staatsanwaltschaft fragt sich dann zu Recht, warum der Führerscheinbewerber nicht selbst zu den Ämtern gegangen ist. Es ist nicht erforderlich, in Deutschland sechs Jahre zu Fuß zu gehen und beim Institut „XYZ“ 7.000 Euro „Schutzgeld“ oder mehr zu bezahlen, um wieder Autofahren zu können. Die deutsche MPU-Industrie ist der unproduktivste Erwerbszweig dieses Landes. Das erhobene Argument der Verkehrssicherheit ist Unsinn. EU-weit gibt es die meisten Verkehrstoten in Bulgarien, in Westeuropa in Belgien. Deutschland liegt der Statistik ganz weit hinten. Die Zahl der Todesfälle auf den Straßen ist seit 30 Jahren stark rückläufig und hat für 2020 einen neuen Tiefstand erreicht. Die von der deutschen Politik gestellte Forderung nach „mehr Europa“ wäre in Sachen MPU überlegenswert.


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