Wenn die Ampel naht, muss man als Verkehrsteilnehmer aufmerksam sein. Dies empfiehlt sich besonders in Hinblick auf das gelbe Signal. Meist ist es besser, bei gelb zu bremsen. Bremsen sollten Sie sich auch, wenn Sie das nächste Mal in der Wahlkabine sind und die FDP auf dem Wahlzettel sehen. Nach dem Motto „Hauptsache regieren“ beschafft die FDP rotgrüner Politik eine parlamentarische Mehrheit und Regierungsverantwortung. Rund vier Wochen vor der Wahl sagte Christian Lindner noch: “Mir fehlt die Fantasie, welches Angebot Herr Scholz und Frau Baerbock der FDP machen könnten.” Die Verlockung eines eigenen Ministerstuhls hat seiner Fantasie offenbar erfolgreich auf die Sprünge geholfen.
Nun war Glaubwürdigkeit noch nie eine große Stärke der FDP. Ihr Rekordergebnis bei der Bundestagswahl 2009 – stattliche 14,6 Prozent – hat sie in gerademal einer Legislaturperiode komplett verspielt. Sie regierte damals mit der CDU/CSU in einem schwarzgelben Bündnis, scherte sich aber nicht im Geringsten um ihre damaligen Wahlversprechen, beispielsweise eine spürbare Entlastung des Mittelstands. Der Spruch „mehr Netto vom Brutto“ war nur eins: Ein Spruch. Parteichef Guido Westerwelle hatte damals das Außenministerium übernommen und überließ das Wirtschaftsministerium seinen Parteikollegen Rainer Brüderle und später Phillip Rösler. Beide fabrizierten einen politischen Totalausfall. In den Fragen, wo die FDP eigentlich Akzente setzen wollte, fand sie über vier Jahre kaum statt. Die Quittung dafür bekam sie 2013: Mit einem Wahlergebnis von 4,8 Prozent flog sie erstmals aus dem Bundestag. Das Vertrauen der Wähler war nach vier Regierungsjahren verspielt.
Falls die FDP aus ihrem Rauswurf aus dem Bundestag tatsächlich etwas gelernt haben sollte, war die Lektion leider nicht von sehr langer Dauer. Nach dem Wiedereinzug in den Bundestag und nur einer Wahlperiode in der Opposition, verkauft sie nun erneut ihre Parteiseele. Die 11,5 Prozent Wählerstimmen werden zum gelben Mehrheitsbeschaffer rotgrüner Politik. Wie gut, dass die FDP im Wahlkampf plakatiert hat: „So wie es ist, kann es nicht bleiben“. Das war ein passender Slogan für eine Koalition, mit der nichts so bleiben wird, wie es ist. Irreführend war allenfalls die Farbe, beziehungsweise Richtung für Veränderungen. Aber wir sollten fair bleiben: Die FDP hat schließlich nicht plakatiert, dass es ihr um Veränderungen zum Positiven geht…
Wer sich von der FDP mehr Freiheit und weniger Staat erhofft hatte, darf sich darauf gefasst machen, in vielen Fragen das Gegenteil zu bekommen. Christian Lindner äußerte noch im Wahlkampf: „Wer glaubt, das Individuum sei ein Cowboy, der nur durch den Staat erzogen werde, der muss Grün wählen.“ Das war offensichtlich falsch. Wer statt den Grünen die FDP wählte, der kommt nun beim genau gleichen Ergebnis an. Daran ändert auch nichts, dass die FDP in die Überschrift des neuen Koalitionsvertrags den Begriff Freiheit hineingemogelt hat. Cannabis-Konsumenten und Transgender werden sich nach Umsetzung der Ampel-Vereinbarungen vielleicht etwas freier fühlen, aber wird sich das allgemeine Freiheitsgefühl aller Menschen unter einer solchen Regierung verbessern?
Die Studie Freiheitsindex 2021 aus diesem Jahr ergab, dass sich nur noch 38 Prozent der Deutschen wirklich frei fühlen. Dieser erschreckende Wert müsste eigentlich ein Ausgangspunkt der Frage sein, was im Land schief läuft und wie man dies ändern sollte. Aber genau diese Frage beantwortet der Koalitionsvertrag der Ampel an keiner Stelle. Das überrascht eigentlich auch nur wenig, denn maßgeblich haben das Dokument zwei Parteien verfasst, die sich wie Erziehungsbeauftragte der Bürger aufführen. Der Freiheitsbegriff, den mancher mit der FDP verbindet – und die Partei vielleicht sogar deshalb gewählt hat – wird durch den Koalitionsvertrag instrumentalisiert. Freiheit ist hier nur noch eine Worthülse. Mehr nicht. Es fehlt jeder Zugang zu einem tiefergehenden Freiheitsverständnis und jede Analyse, warum sich Menschen immer weniger frei fühlen.
Mich würde nicht wundern, wenn am Ende der Ampel die FDP wieder dastehen wird, wo sie nach der Bundestagswahl 2013 stand. Ihre eigene politischen Inkonsequenz und Unglaubwürdigkeit wird sie das Vertrauen kosten, das sie sich in vier Jahren Opposition erarbeitet hat. Hatte sie noch vor vier Jahren proklamiert „lieber nicht regieren, als schlecht regieren“, gilt nun das Motto: „Für eine Handvoll Ministerien mehr“. Das klingt nach einem Western, in dem sich der gelbe Cowboy vom rotgrünen Sheriff allzu leicht einspannen ließ.
Ein Gastbeitrag von Dana Guth. Sie ist Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags für die LKR.
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