Sich arm arbeiten

Mehrere Millionen Menschen in diesem Lande sind nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt vom selbstverdienten Lohn zu bestreiten. Bertold Brecht fragte schon in seiner „Dreigroschenoper“: „Denn wovon lebt der Mensch?“ – Luft und Liebe reichen da nicht aus. Ausgerechnet die FDP bemüht sich nun auf Bundesebene darum, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Gastronomie noch einmal zu verschlechtern. Ihr politischer Wille geht dahin, dass in der Gastronomie die „Arbeit auf Abruf“ erleichtert wird – ein Zeugnis der sozialen Schäbigkeit.

Allerdings geht diese Möglichkeit der Arbeitgeber auf die Schröder-Fischer-Regierung zurück. Rot-Grün etablierte dies 2001. 2017 beklagte Dr. Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass mindesten 1,3 Millionen Menschen in Deutschland mit Tricksereien um den ihnen eigentlich zustehenden Mindestlohn gebracht werden. Das Gastgewerbe, der Einzelhandel, das Friseurhandwerk und das Reinigungsgewerbe stehen als drei Beispiele von mehreren. Da werden Überstunden geleistet, die nicht oder nur teilweise entlohnt werden. Oder im Hotelgewerbe werden Normen für Zimmermädchen aufgestellt, die nicht zu leisten sind. Dann werden eben über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus Arbeitsstunden geleistet, die nicht vergütet werden. Das ist vor allem im undurchsichtigen Bereich der Teilzeit möglich.

Das neue Fachwort heißt: „Atypisches Beschäftigungsverhältnis“. Hinter der Bürokratendefinition verbergen sich befristet Beschäftigte, Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte und Zeitarbeitnehmer, womit klar wird: Das von der Bundesregierung gefeierte Ergebnis ihrer „Arbeit“ ist auf Kosten von Beschäftigungsverhältnissen zu Stande gekommen, die anderswo – also beispielsweise in Dänemark oder Schweden, wo es noch einen funktionierenden Sozialstaat gibt – gar nicht denkbar wären. Schlusslicht in der Bezahlung – nach offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit – ist die Gastronomie von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. In Deutschland ist in den letzten Jahren ein neues Phänomen entstanden, das sich unter dem aus den USA kommenden Begriff „working poor“ (übersetzt: sich arm arbeiten) zusammenfassen lässt. Von den 33,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind lediglich 21,3 Millionen in Vollzeit tätig. Von den Vollzeitbeschäftigten ist im Westen jeder Sechste und im Osten jeder Dritte im sogenannten Niedriglohnsektor tätig. Zum 1. Januar 2020 soll der Mindestlohn von jetzt 9,19 Euro auf 9,35 Euro pro Stunde steigen. Vielen Arbeitgebern ist es genehm, dass die Merkel-Regierung mehrere Millionen Asylforderer ins Land holt. „Nachschub“ für das neue „Lumpenproletariat“, das man schon heute bei McDonalds antreffen kann. Manch einer der Betroffenen will bei einem weiten Weg zur Arbeit nach einem durch Überstunden verlängerten Arbeitstag dann lieber in der Gästetoilette auf einer Matratze übernachten statt nach Hause zu fahren. Die Menschen nehmen derartige Beschäftigungsverhältnisse nicht freiwillig an. Häufig zwingen Arbeitsagentur oder Jobcenter ihre sogenannten „Kunden“ dazu, derartige Tätigkeiten aufzunehmen, und drohen im Verweigerungsfall mit Leistungskürzung oder Leistungsverweigerung.


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