Liz Truss ist neue britische Premierministerin. Damit sind alle Hoffnungen der Brüsseler Kommissare dahin, die Briten könnten reumütige in die EU zurückkehren und als weiterer „Dukatenesel“ für Ursula von der Leyen zur Verfügung stehen. So weit so gut. Aber die Qualität der britischen Politiker scheint – wie in Deutschland – immer weiter abzunehmen. Als Außenministerin glänzte Truss mit ihren Geographiekenntnissen. In einem BBC-Interview erklärte sie wörtlich, dass London „seine baltischen Verbündeten auf der anderen Seite des Schwarzen Meeres versorgt und ihnen zusätzliche Unterstützung anbietet”. Dabei liegen Estland, Lettland und Litauen gar nicht in der Nähe des südosteuropäischen Gewässers.

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Auch scheint sie das zu sein, was man in der DDR einen Wendehals nannte. Während ihres Studiums war sie Vorsitzende der „liberaldemokratischen“ Hochschulgruppe und für die Abschaffung der Monarchie und die Legalisierung von Cannabis. Aber die Liberaldemokraten haben keine Aussicht auf Regierungsbeteiligung und erreichen bei Parlamentswahlen nur wenige Parlamentssitze. Im Jahr ihres Hochschulabschlusses 1996 wechselte sie zur Konservativen Partei. Im Streit um den Austritt Großbritanniens machte Truss Propaganda für den Verbleib in der EU, was Camerons Nachfolgerin Theresa May nicht daran hinderte, sie zur Justizministerin zu machen. Deren Nachfolger Boris Johnson behielt sie als Ministerin und machte sie schlussendlich sogar zur Außenministerin.
Nachdem sie mit anderen Kabinettskollegen erfolgreich an dessen Stuhl gesägt hatte, „beerbte“ sie ihn nun, nachdem sie in einer Mitgliederbefragung über den halbwegs seriösen Finanzminister Rishi Sunak obsiegte, dem möglicherweise seine „nicht englische Abstammung“ zum Verhängnis wurde. Truss scheint nur (zeitweilige) Meinungen aber keine Überzeugungen zu haben.
Ein Beitrag von Klaus Gröbig. Der Journalist lebt in Berlin.
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